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Es war der vierte Tag der Kinder-Wildnis-Tage. Wir hatten uns entschieden, den sechsjährigen Jungen am Anfang der Tage mit an Board zu nehmen. Die Ältesten waren schon fast 14 Jahre alt. Und der kleinste wuselte um uns herum, machte mit seinen kleinen Händen Feuer und sprühte vor Energie. Manchmal aber, konnte er seine Kräfte nicht einteilen. Und so kam es, dass er zwischen die älteren Jungs und Mädels geriet, die sich im Stockkampf und im Ringen übten. Zielgerichtet lief er zu dem einen Jungen und schlug ihn mit der flachen Hand ins Gesicht. So, dass seine Wange rot wurde. Tränen flossen aus seinen Augen.
Ich kam dazu. Streng bat ich beide, sich hinzusetzen. Erst einmal hatten die Tränen des Großen Platz. Schnell ließ sich ein Redestab finden. “Erzähl mal, was los war!” bat ich ihn. Und während des Erzählens wollte der Kleine ihm ins Wort fallen. Dies unterband ich. Erst als der Große alles gesagt hatte, war der kleine Junge dran. Zunächst leugnete er alles. In meinem Herzen wuchs Verständnis für beide Jungs. Der Teamer bekam den Redestab und erzählte alles aus seiner Sicht und auch, dass er die Situation nicht so ganz genau beobachtet hatte. Die Tränen des Großen waren noch nicht ganz versiegt. “Ich seh, dass du dolle Schmerzen hast,” sagte ich. “Möchte einer von euch noch etwas ergänzen?” Der kleine Junge meldete sich noch einmal. “Ja, ich”, sagte er. Ich möchte mich entschuldigen. Von ganzem Herzen.” Ich war berührt vom plötzlichen Wechsel. Und sah, dass er wirklich sein Herz sprechen ließ. “Kann es sein, dass du auch groß sein wolltest?”, fragte ich. “Ja”, sagte der kleine Junge. Aber alles, was ich noch zu sagen hatte, war jetzt nicht mehr wichtig. “Angenommen” sagte der große Junge. Seine Tränen waren getrocknet, er war wieder froh. Und die Situation konnte sich auflösen.
Mir ist zutiefst wichtig, dass alle Seiten gehört werden. Aus meiner Erfahrung weiß ich, wir handeln aus Gründen. Dieses Handeln kann verletzen oder andere negative Konsequenzen haben. Aber es gibt Gründe für dieses Handeln. Wenn wir diese Gründe verstehen und zutiefst verstehen wollen, können wir die negativen Konsequenzen verwandeln.
Darum arbeiten wir immer wieder mit dem Redestab. Jede*r Teilnehmer*in fühlt sich gehört und gesehen. Oder wir wenden das Daumenbarometer an. Wie geht es dir jetzt gerade? Was können wir tun, damit es dir wieder besser geht?
In allen Kursen, nicht nur mit den Kindern, ist es uns wichtig, alle zu hören und Entscheidungen in Einheit zu treffen. Das mag manchmal von außen ein wenig mühsam erscheinen. Aber mit ein wenig Übung, sind die Dinge auf den Punkt gebracht.
Wir haben unsere Teilnehmenden auf dem Schirm. Wir bekommen Veränderungen mit. Wir sind und spiegeln die Situation. So schaffen wir ein Klima und einen Rahmen, in dem sich alle wohlfühlen.